Senioren-WM: Clemens berichtet

Senioren-WM · 18. bis 30.11. 2016 · Marienbad (CZ) · von Clemens Werner

Nach den unterschiedlichen Erfahrungen mit Hotels bei den letzten Turnieren legte ich großen Wert auf ein gutes Quartier. Das funktionierte in zweierlei Hinsicht: das Hotel war einwandfrei, man hatte aber zum Spielsaal einen Anmarsch von einer Viertelstunde. Freiwillig hätte ich solch einen nützlichen Sport vor der Partie sicher nicht täglich absolviert, weshalb die Entfernung ein unvermeidlicher Vorteil war. Der angebotene Shuttle-Bus fuhr immer schon eine Stunde vor Partiebeginn los, das ging gar nicht!

Als 18. der Startrangliste hatte ich vermeintlich Pech, dass der elogleiche GM Pushkov als 17. eingestuft worden war und im Gegensatz zu mir mit Weiß beginnen durfte. Warum „vermeitlich“? Am Schluss hatte Pushkov fünfmal Weiß, ich sechsmal!

Das Turnier begann „normal“: nach sechs Runden hatte ich wie letztes Jahr 4,5 Punkte, der deutsche Meister IM Khanukow war mit 5,5 Punkten ganz vorne dabei. Aber ab der siebten Runde lief alles anders: mit Schwarz überspielte ich meinen Kontrahenten, wickelte dann jedoch in ein nicht mehr gewinnbares Damenendspiel ab. Doch der russische FM Zilbert leistete sich einen kapitalen Bock und ermöglichte mir den gewinnbringenden Durchbruch. Nach 81 Zügen musste er aufgeben. Letztes Jahr hatte ich nach dem Ruhetag noch selbst Konditionsprobleme gehabt und meine einzige Niederlage bezogen. Nach einem Kampfremis in Runde acht gegen IM Harandi hatte ich das einzige Mal Pech mit der Auslosung. So gab es gegen meinen Weggefährten Manfred Boehnisch ein Kurzremis.

Für die zehnte Runde rechnete ich nun mit einem Großmeister als zugelostem Gegner. Stattdessen erhielt ich den schwächeren Letten Batakovs, gegen den mir ein hübscher schneller Sieg gelang. So hatte ich nach zehn Runden 7,5 Punkte auf dem Konto. In Runde elf kam dann endlich der erwartete Großmeister, aber nicht mit Schwarz. Denn jetzt erwies sich das Schwarz der ersten Runde als Vorteil. Mein Gegner lag in der Tabelle vor mir und bekam folgerichtig Farbwechsel. GM Komljenovic war ein „alter Bekannter“. 1989 hatten die Karlsruher SF mit einer großen Jugendgruppe am Open in Bad Mergentheim teilgenommen. Neben Sofia Polgar und Gata Kamski war damals auch Komljenovic dabei gewesen. Und nun hatte er mit der besten Buchholz aller Teilnehmer die Chance, durch einen Sieg gegen mich Seniorenweltmeister zu werden. In der zehnten Runde hatte er GM Vasjukov in 17 Zügen vom Brett gefegt, da war ich nur Außenseiter und wäre in den ersten zwanzig Zügen sicher mit einem Remis zufrieden gewesen. Er spielte die Partie indes nicht weltmeisterlich und unterlag. Dadurch konnte ich zwar punktemäßig zu den Führenden aufschließen, wurde mit der schlechtesten Buchholz aber nur Fünfter. Das ist der beste bisher von mir erzielte Platz bei einer Senioren-Einzel-WM. Losglück, Fehler der Gegner und einige gute Leistungen trugen dazu bei.

Sieger wurde schon zum vierten Mal GM Anatoly Vaisser vor GM Jansa, GM Sveshnikov und IM Zhelnin, die alle wie ich 8,5 Punkte erzielten. Zweitbester Deutscher war Dr. Matthias Kierzek auf Rang 19, der furios gestartete IM Khanukow wurde 29. Bei den deutschen Einzelmeisterschaften hatte er mit drei Remisen begonnen und dann mit sechs Siegen in Folge trotz miserabler Buchholz den Titel geholt. Punkte zählen eben zuerst.

Bei den Damen siegte „wie immer“ Nona Gaprindashwili aus Georgien, das Ü50-Turnier gewann ihr Landsmann GM Giorgi Bagaturow. Bei den Ü50-Frauen siegte die unbekannte Russin Tatiana Bogumil vor der uns wohlbekannten Elvira Behrend (LUX).

Das Turnier war im Prinzip gut organisiert. Es gab aber in Marienbad keinen einzigen großen Saal, was die Organisation bei gleichzeitigem Teilnehmerrekord erheblich erschwerte. Die Turniere mussten deshalb in verschiedenen Hotels ausgetragen werden, das Open 65 mit 265 Teilnehmern hatte nicht einmal komplett Platz in einem der Hotels und wurde aufgeteilt. So gab es Teilnehmer, die je nach Punktestand mal in diesem, mal in jenem Hotel spielen mussten. Das wird nächstes Jahr in Acqui Terme mit der riesigen Stadthalle wieder besser sein.

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